Christival '76
04.-07.06.1976 | Essen, Gruga
Festivals für junge Leute
Hören, Singen, Spielen, Reden von Jesus Christus

Christival 1976 in Essen, PlakatDamals musste man sich noch rechtfertigen und der Zustimmung der christlichen Erwachsenenwelt vergewissern, wenn etwas "für die Jugend" veranstaltet wurde. Es war ja schon schlimm genug, dass immer mehr "Extrawürste" gebraten werden mussten, wäre doch mehr als genug Platz gewesen in den bestehenden Strukturen…!

Wer in 1976 noch so dachte (und das waren erschreckend viele), der wollte nicht akzeptieren, dass das Spiel schon gelaufen war. Die christliche Jugend hatte sich längst auf "neue Wege" begeben und gestaltete ihre eigene Kultur. Trotzdem gingen die Organisatoren des Christivals auf Nummer Sicher und gaben dem Plakat eine eindeutige wie "zeitgeistige" Überschrift: "Hören, Singen, Spielen, Reden von Jesus Christus". Kritik daran verbot sich sozusagen, also war alles legitimiert, was in Essen stattfinden sollte…

In der Tat war vieles
in Essen neu und ungewohnt, teilweise sogar provozierend – andererseits war vieles nach wie vor ausgesprochen konservativ. Bis dahin kannte man nur Evangelisationen, Kirchentage und Posaunentage als christliche Großveranstaltungen. Das wollte man mit dem Christival '76 ändern, das präzise auf die "geburtenstarken Jahrgänge" zielte, die ins Erwachsenenalter drängten, ihre eigenen Lebens- und Glaubensstile suchten und sich sehr gerne von Bewegungen wie "Jesus People" inspirieren ließen.

Christival 1976 in Essen, LPManfred Siebald, Siegfried Fietz, Inge Brück, Arno & Andreas, Ute & Friedemann, Jugend für Christus Chor, Thomas Westermann, Hartmut Nitsch, The Truth, Maranatha, Lighters, Semaja, Salvation, Damaris Joy… – ein paar Namen vom Plakat des Christivals und nur Einheimische, also kein Chuck Girard, Liberation Suite, Terry Clark, Jack Steneckes plus weitere. Das Line-Up kann man als durchaus repräsentativ für die christliche Musikszene damals bezeichnen. Dass mit Chuck Girard (Ex-Love Song) eine direkte personelle Verbindung zur Jesus-People-Bewegung der USA gegeben war, hatte eine große symbolische Bedeutung.

Plakat Christival 1976 (groß)
LP Christival 1976 (groß)


Aber nicht nur Damaris Joy war damals sehr "frisch" dabei, auch das junge Sängerpaar auf der nachträglich veröffentlichten Christival-LP hatte sich erst in 1975 privat und musikalisch liiert. Es handelt sich um Ute & Friedemann Rink (www.die-rinks.de) aus Siegen-Eisern, die später in Bergneustadt ansässig wurden.

W
ie kam es eigentlich dazu, dass 1976 eine so junge wie unbekannte wie unbedeutende Band namens Damaris Joy bei einer solchen Großveranstaltung mitwirken konnte, so ganz ohne Lobby und Lorbeeren? Der Grund ist ganz einfach: Man fragt freundlich beim Organisationsteam nach, ob es noch Bedarf gibt für eine Band – und erhält eine Absage… Aber einige Wochen später wird noch eine Band für zwei Freiversammlungen gesucht und bei einem der Abendfestivals ist auch noch eine Lücke von 15 Minuten zu füllen. Wir waren also ein klassischer "Nachrücker".

Der Parkplatz am Weigle-Haus war unser Quartier…

Also besorgten wir uns einen riesengroßen Wohnwagen und einen VW-Bulli, mit dem wir unsere mobile Unterkunft befördern konnten, erhielten vom Weigle-Haus die Genehmigung, den hauseigenen Parkplatz nutzen zu dürfen und richteten für unsere berufstätigen Band-Mitglieder einen Pendelverkehr ein. Einige von uns blieben über Nacht in Essen, die anderen kamen "in time" dazu. So konnten wir tagsüber die Open-Air-Aktionen (Freiversammlungen) in Gelsenkirchen musikalisch mitgestalten und am Pfingstsonntag 6. Juni 1976 durften wir im Abendprogramm der Messe-Halle 3/4 in Essen mitwirken vor 12.000 Besuchern. Diese Zahl haben wir übrigens nie wieder toppen können.

Christival 1976 in Essen, Plakat und LP

Den Abend des 6. Juni gestalteten Festo Kivengere (Uganda, "der Billy Graham Afrikas") als Redner und Chuck Girard (USA), Salvation und Damaris Joy mit ihren Musikbeiträgen. Für die Moderation war Konrad Eißler zuständig. Das Originalprogramm mit tagesaktuellen handschriftlichen Ergänzungen ist erhalten geblieben:

Christival, Programm 06.06.1976

Abendprogramm 06.06.1976 (groß)


Ob man heute einer jungen und unbekannten Band einen so prominenten Platz einräumen würde? Immerhin durften wir zwei der insgesamt drei gemeinsamen Lieder begleiten. Das ist ein bemerkenswertes Detail. In einer Veranstaltung mit gemischtem Programm haben gemeinsam gesungene Lieder immer eine besondere Bedeutung. Wenn man diesen Part gut gestalten kann, sammelt man als Musiker Pluspunkte beim Veranstalter und auch beim Publikum… ;-)

Für die Organisation der Musik beim Christival '76 war Hans Herbold vom ERF zuständig und der wurde im Vorfeld offensichtlich sehr heftig dafür kritisiert, Damaris Joy "zugelassen" zu haben. Es ließ sich nie in Erfahrung bringen, welchen konkreten Inhalts die Kritik war – andererseits hielt Hans Herbold an seiner Entscheidung fest und ermutigte uns, an unseren Talenten zu arbeiten. Sein Vorschlag, kurzfristig noch einen Schlagzeuger einzuarbeiten, fand zwar (mangels Masse…) nicht unsere Zustimmung, aber offensichtlich konnten wir so, wie wir waren, in Essen und Gelsenkirchen einen positiven Eindruck hinterlassen. Neben allen musikalischen und inhaltlichen Aspekten gehört dazu die Bereitschaft, sich positiv und kooperativ in eine Veranstaltung bzw. ein Projekt zu integrieren. Diese Bereitschaft und Fähigkeit hat der Band auch in den folgenden Jahren immer wieder Sympathien eingebracht und viele Türen geöffnet. Wir haben uns beim Christival offensichtlich ganz gut "aus der Affäre gezogen", gleichwohl waren wir zweifelsohne eine junge Band, die am Anfang ihres Weges stand. Ich sachma so: Wir waren damals 19, 18 und 15 Jahre alt und es gab niemand, der uns protegierte…

Der handschriftlichen Anmerkung am Ende des Programms lässt sich entnehmen, dass beim letzten Lied von Chuck Girard drei Musiker der Band Liberation Suite mitwirkten – sicherlich im Background-Gesang. Interessanterweise ergab sich während der Christival-Tage ein näherer Kontakt mit dem Keyboarder dieser für damalige Verhältnisse ausgesprochen rockigen Band. Der war aber eigentlich nur "Aushilfe", weil sein Bruder (zu dieser Zeit temporär Bassist von Liberation Suite) ihn um Unterstützung gebeten hatte.

Die Band lebte damals mehr als ein Jahr in England und direkt nach dem Christival in Essen stand eine ausgedehnte Konzerttournee von Chuck Girard an mit Liberation Suite als "special guest". In der ganzseitigen Anzeige aus dem englischen Magazin "Buzz" wird der 8. Juni 1976 als erster Termin genannt. Das Christival in Essen endete am 7. Juni…

Buzz Magazine Mai 1976Christival 1976 in Essen, Liberation Suite

Anzeige Buzz-Magazine (GB) Mai 1976 (groß)


Auch in Holland und Schweden ist Liberation Suite aufgetreten. Wer die Geschichte der Band noch mal nachlesen und nachschauen will, der wird hier fündig:

www.liberationsuite.com

Liberation Suite mit Terry & Duane Clark

Der Name des Keyboarders (sitzend 3. von links und rechts) war Terry Clark, sein Bruder hieß Duane Clark (kniend). Beiden sind wir in den späteren Jahren noch mehrfach begegnet, denn Terry Clark (ein Ex-Vietnam-Soldat) war ein exzellenter Musiker, Sänger und Songwriter. Damaris Joy hat übrigens etliche Jahre lang einen seiner Songs gespielt: "Father of Light" von Terry's LP "Melodies" (ein phantastischer Worship-Song, wobei man damals diesen Begriff als musikalische und inhaltliche Definition nicht kannte). Der Kontakt zu Terry Clark und seiner Frau Nancy Clark hat sich übrigens bis heute erhalten. Terry Clark ist im Laufe der Jahre öfters in Siegen aufgetreten, überwiegend in der hiesigen Calvary Chapel. Unter anderem haben wir in 1980 und 1982 zwei Deutschland-Tourneen der Terry Clark Band tontechnisch und logistisch begleitet. Mehr zu Terry und Nancy Clark findet sich unter

www.catalystpeople.com

Selbstverständlich kann man auch noch weiter in der Vergangenheit "herumschnüffeln"… ;-)

www.chuckgirard.com
www.lovesong.band

Im Internet finden sich nicht viele Bildmotive zum Christival '76 in Essen, aber vielleicht können die Motive von Plakat und LP ab jetzt ein wenig mehr "Licht ins Dunkel" bringen. Das Plakat ist als Original erhalten; es gibt auch noch die schriftliche Dokumentation (genannt "Berichtsheft"), die allen Teilnehmern nachträglich zugeschickt wurde.

Christival 1976 in Essen, Berichtsheft

Hier drei Einblicke… – das "Berichtsheft" ist reichlich bebildert. Das Christival '76 in Essen konnte 12.500 Dauerteilnehmer verzeichnen plus Tagesgäste plus Besucher der drei Abendfestivals sowie des Abschlussgottesdienstes.

Christival 1976 in Essen, Halle 1

Halle 1 (Gruga-Halle)

Christival 1976 in Essen, Liberation Suite

Liberation Suite im Gruga-Park

Christival 1976 in Essen, Verpflegung

Verpflegungs(messe)halle

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Wie es nach Essen weiter ging, das lässt sich erfahren unter

www.christival.de

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