Damaris Joy, Foto copyright www.stagefoto.com
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Arno & Andreas (Musik)

Andreas Malessa, Arno Backhaus (Interview)

Helmut Jost, Hans-Martin Wahler

Hans-Martin Wahler

Foto 1: www.stagefoto.com
Fotos 2-5: Ulla Übler

Samstag
05.02.2011
, 20:00 Uhr
Gießen
, Audimax

Impressionen von der Promikon-Musikmesse

"Danke für diesen guten Morgen"... Der Moderator des Gala-Abends "Forever Young - 50 Jahre Christliche Popmusik in Deutschland" singt die ersten Zeilen dieses bekannten Liedes, als er auf die Bühne kommt und das Programm eröffnet. Und in der Tat war es dieses Lied, das viele Türen geöffnet hat für die Entwicklung des 'neuen geistlichen Lieds' in Deutschland. Das Lied war der Gewinner eines Wettbewerbs, bei dem es um neue, zeitgemäße 'Kirchenlieder' ging. 2011 - 50 Jahre, man spricht also über das Jahr 1961, wobei es in Deutschland erst im Jahre 1965 konkret wurde, als die schottische Skiffle-Band "The Heralds" einige Konzerte gab in Deutschland, eines davon in der "Bühne der Stadt Siegen" mit dem "Fietz-Team" als Vorgruppe...

Es war erstaunlich, wie konkret und lebendig diese Vergangenheit vor Augen geführt wurde in Ton- und Bilddokumenten, und in Interviews mit Leuten, die damals eher zufällig involviert waren. Es war der ERF in Wetzlar, der eine Schlüsselrolle spielte - genauer gesagt junge Redakteure, die jugendgemäße Radio-Sendungen gestalten sollten und in den Archiven keinerlei Musik fanden, die für die Sendungen geeignet war. Aus 'Not' machte man sich also auf die Suche und nahm mehr oder weniger alles (auf), was modern klang. Es war ein Erhard Diehl, der in Schottland einen Gottesdienst besuchen wollte und entsetzt war, das Instrumentarium einer Band im Gottesdienstraum zu entdecken. Sein Entsetzen wich reinster Begeisterung, weil er in Schottland fand, was er in Deutschland für seine Sendungen suchte. Und so lud er diese Band nach Deutschland ein und ein junger Berufsschulpfarrer namens Günter Klempnauer in Siegen, der ebenso händeringend nach zeitgenössischer christlicher Musik suchte, die er seinen Berufsschülern bieten konnte, nahm das Konzertangebot gerne an, weil das eine gute Plattform war, junge heimische Talente vorzustellen - wie seinen Berufsschüler Siegfried Fietz...

Solche 'Zufälle' sind kennzeichnend für die Entstehung und Entwicklung der christlichen Musikszene in Deutschland. Waren es der ERF und der Verlag "Hermann Schulte Wetzlar", die ganz am Anfang des Weges agierten, so war es wenig später der Herner Jugendpfarrer Bernd Schlottof, der mit Larry Norman den ersten amerikanischen Vertreter der christlichen Musikszene nach Deutschland holte (und danach noch sehr viele weitere Interpreten der 'ersten Stunde'). Die Interviews von Andreas Malessa und Doro Wiebe mit den 'Pionieren' der Szene waren informativ, aufschlussreich und beeindruckend zugleich, denn man hörte sehr oft zwischen den Zeilen, wie mühsam das Ringen war um jeden weiteren Zentimeter Platz für eine Musik, die jungen Menschen christliche Inhalte vermitteln wollte. Auch eine ganz andere Zeit und Situation kam in einem Interview zur Sprache: Christliche Musik in der DDR und ihre Lebendigkeit trotz oder gerade wegen der staatlichen Unterdrückung.

Aber auch die Musiker der vergangenen 50 Jahre kamen zu Wort (Interview) und Vortrag: Siegfried Fietz, Manfred Siebald, Gerhard Schnitter, Clemens Bittlinger, Werner Hucks, Arno & Andreas und Damaris Joy als Vertreter der Szene bis Ende der 80-er Jahre und Sarah Lorenz als Vertreterin der aktuellen Szene. Der Zusammenhang der (annähernd) 50 Jahre zeitgenössischer christlicher Musik in Deutschland wurde in Gießen sehr deutlich. Die Zeiten haben sich gravierend geändert und man muss heute nicht mehr um die grundsätzliche Akzeptanz kämpfen. Aber die Aufgabenstellung der 'musikalischen Verkündigung' hat nichts an Relevanz verloren - jede Generation ist gefragt, eigene Wege und Lösungen zu entwickeln. Nichts anderes haben die 'Pioniere' in ihrer Zeit getan.

"Forever Young" - Musik ist zeitgebunden und wer nur Lieder hört, die 20 und mehr Jahre auf dem Buckel haben, der lebt in der Vergangenheit. Aber ein solcher 'Erinnerungsabend' im Rahmen einer Musikmesse, die dem aktuellen Musikschaffen gewidmet ist, war schon ein besonderes und auch ein sehr passendes Ereignis, nicht nur wegen der Anbindung der Verleihung der "David-Awards 2011". Man spürte, dass Vergangenheit und Gegenwart in keinerlei Gegensatz stehen. Heute wie früher stellen sich Menschen in der Dienst der Verkündigung durch zeitgenössische Musik und genau das gehört zum Wesen dieser Szene und zum Selbstverständnis ihrer Akteure. Man gewann den Eindruck, dass es in 50 Jahren durchaus wieder eine solche "Retro Show" geben kann (dann selbstverständlich mit anderen Akteuren...).

Es wurden auch etliche Siegerländer Gesichter in Gießen gesichtet, die Begeisterung für diesen gelungenen Abend war einhellig. Ganz 'einmalig' war der Abend trotzdem nicht. Ein "Comeback" von Arno & Andreas und Damaris Joy hat es schon einige Jahre zuvor gegeben am 4. März 2000 in der Siegerlandhalle in Siegen im Rahmen der Veranstaltung "35 Jahre Offene Abende Siegen", bei der auch Siegfried Fietz, Dieter Falk und Cae Gauntt mitwirkten. Und wer die Geschichte der Szene nachlesen will, der wird seit fast genau so vielen Jahren fündig in der WebSite www.damarisjoy.de (Rubrik Archive / Die Szene im Siegerland / Geschichte und Vorlauf). Der Fokus dieser Darstellung ist zwar regional, aber überregionale Querbezüge finden sich reichlich.

Das Audimax in Gießen war sehr gut besucht, es wäre trotzdem noch Platz gewesen für mehr Besucher. Wer den Abend nicht miterlebt hat, der hat etwas Einmaliges verpasst. Immerhin kann man sich online anschauen, was man verpasst hat. "Forever Young" wird und kann nicht für die Akteure und ihre Musik gelten, aber es erfreut das alte Pionierherz, wenn es merkt, dass sich (inhaltlich) nichts geändert hat. Das Evangelium ist "immer jung" und sucht sich Wege zu den Menschen von heute. Der Abend im Gießener Audimax wird unvergessen bleiben.

Hans-Martin Wahler
GospelNetwork-Newsletter 02.03.2011