Editorial (2001)
Schön, dass Sie auch an dieser Stelle mal vorbeischauen. Editorial, also ein paar warme Worte von demjenigen, der für irgend ein wichtiges (oder unwichtiges) Werk verantwortlich zeichnet. Manchmal überflüssig, aber manchmal vielleicht auch ganz hilfreich...

Als ich anfing, mich gedanklich mit dieser WebSite zu beschäftigen, hatte ich keine Ahnung, wie umfangreich das Unternehmen sein würde, die Geschichte von Damaris Joy so aufzuarbeiten bzw. zu präsentieren, dass sie für einen (mehr oder weniger ahnungslosen) Besucher möglichst informativ, interessant und aussagefähig ist. Die konkrete Arbeit wurde dann zu einer wirklichen Reise in die Vergangenheit und auch ein ganzes Stück Auseinandersetzung mit der (musikalischen) Vergangenheit, die ja nicht nur die Jahre 1975 bis 1988 umfasst.

Damaris Joy lässt sich nicht verstehen, wenn man das Umfeld und die weitere und engere Vorgeschichte nicht kennt. "DJ" ist Teil einer Geschichte, die in die Pioniertage der Gospelmusik in Deutschland zurück reicht. Es erschließen sich eine Unmenge an Querbezügen, wenn man Jahr für Jahr zurück verfolgt und die Daten mit Namen, Vorgängen und Erlebnissen in Zusammenhang bringt. Auf dieser Basis konnte die christliche Musikszene in Deutschland zur ersten Blüte reifen - und genau diese Phase hat Damaris Joy miterlebt und zu einem wesentlichen Teil mitgestaltet.

Aber selbst wenn man diese "Vergangenheitsbewältigung" mehr oder weniger akribisch oder sozusagen fast wissenschaftlich betreibt, dann hat man immer noch nicht die Hälfte von dem verstanden, was da eigentlich passiert ist. Ehrlich gesagt, jeder von DJ und viele in unserem Umfeld stehen heute noch immer wieder staunend vor diesem Phänomen, das sich aus kümmerlichen Anfängen heraus entwickelt hat zu einer musikalisch, geistlich, menschlich und kulturell prägenden Instanz, die das Leben vieler Menschen in ganz Europa nachhaltig beeinflusst und verändert hat. Trotzdem: es ist eine Sache, in Erinnerungen zu "schwelgen" - es ist eine vollkommen andere Sache, auch Jahre nach dem Ende von DJ von "wildfremden" Leuten immer wieder neu angesprochen zu werden und zu hören, wie wichtig die Band für viele Menschen war und immer noch ist. Und dies hat jeder der Band vielfach so erlebt.

Ein Stück weit ist dies auch in den Gästebucheintragungen nachzulesen - dort steht kein Gesülze, da ist nichts übertrieben oder aus Gefälligkeit geschrieben. An dieser Stelle wird jedem deutlich, dass "DJ" tiefe Spuren hinterlassen hat und auf dem Lebensweg vieler Menschen eine oftmals sogar ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Und genau diese Verantwortung hat es uns lange Zeit so schwer gemacht, einfach mal wieder zusammen zu spielen. Wir hatten Angst davor, Erwartungen zu wecken, denen wir nicht gerecht werden konnten. Deshalb hat es 12 Jahre gedauert, bis wir selbst wieder frei genug waren, unser eigenes "Erbe" antreten und wirklich souverän damit umgehen zu können.

Das musikalische Erbe ist eigentlich weniger das Problem. Im Gegensatz zu anderen (ehemaligen) Kollegen sind die Mitglieder von Damaris Joy nach dem Splitt von 1988 in vielfältiger Weise musikalisch aktiv geblieben. Man könnte ketzerisch durchaus treffend formulieren, dass jeder von uns nach 1988 erst einmal gelernt hat, Musik zu machen... Ein ganzes Stück weit trifft dies zu - es wird erkennbar, wenn man in den Konzerten die alten und neuen Songs direkt nebeneinander hört. Da liegen Welten zwischen... Und in den 40-ern, in denen wir uns lebensaltermäßig befinden, lässt sich außerdem ganz vortrefflich musizieren. Der Stress der Jugend ist einfach weg; man weiß, was man da tut und man muss auch nichts mehr beweisen...

Aber auch das Umfeld hat sich verändert - und wir uns als Personen. Vieles von dem, was wir früher als wichtig und unumstößlich propagiert haben, hat sich für uns selbst als Bummerang erwiesen oder als Messlatte, die wir selbst zu hoch angelegt hatten - oder anders gesagt: das Leben hat seine Spuren hinterlassen, wir sind älter geworden, reifer, verständiger. Wir haben gelernt, dass unser Leben eine in vielerlei Hinsicht erkennbare zeitliche Komponente hat, in der sich alles bewähren muss und wird - oder eben nicht. Wir definieren Glauben und Nachfolge heute sicherlich anders als mit 20 oder 30 Jahren. Vieles von dem überflüssigen Drumherum ist den Gang aller Dinge gegangen. Geblieben ist der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, die in der Beziehung zu Gott und zu den Menschen erkennbar und erlebbar wird.

Alles, was wir machen, hat mit diesem Glauben an Gott zu tun. Wir haben in unserem Erleben buchstabieren gelernt, was es mit der frei machenden Botschaft vom Kreuzestod dieses Jesus von Nazareth auf sich hat. Dies hat unser Leben, Erleben und unser Verhalten bis in die Knochen hinein beeinflusst und deshalb brauchen wir nicht mehr große und viele Worte zu verlieren - wir sind selbst Sprache genug, trotz aller unserer Fehler und Unzulänglichkeiten.

Deshalb haben wir den Mut, nach vorne zu schauen. Wir nehmen unseren Rucksack (unser "Erbe") mit und gehen neue Wege. Wir sind unendlich dankbar für das, was in unserer Vergangenheit liegt, aber wir freuen uns noch mehr auf das, was in unserer Zukunft liegen wird. Es wird keine 50 und mehr Konzerte im Jahr mehr geben. 5 tun's auch, oder auch weniger. Aber es wird wieder neue Songs zu hören geben, und die werden von denen gehört werden, für die unsere Songs immer gern gesehene Begleiter waren. Diese Songs werden anders sein - eben weil das, was die (alten) Zuhörer erwarten, heute anders sein muss als vor 15 oder 20 Jahren.

Und dann wird es eine Menge Leute geben, die Damaris Joy völlig unbefangen entgegen treten. Leute, die damals noch zu jung waren oder seinerzeit (noch) keine Beziehung dazu hatten. Oder die Kinder der damaligen Konzertbesucher, die sich nun mit ihren Eltern über die selbe Band unterhalten, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln (wenn dies zu unserer Jugendzeit mal möglich gewesen wäre, dass zwei Generationen über die selbe Musik sprechen!!!). Unser Publikum ist nicht kleiner geworden, ganz im Gegenteil: es ist über die Jahre stetig gewachsen.

Auch deshalb haben wir uns so schwer getan, endlich den Schritt zu wagen, als Damaris Joy wieder präsent zu sein (anderweitig hat man immer mal wieder und völlig zwanglos zusammen Musik gemacht...). Es war uns klar, dass es keine leichte Aufgabe sein wird, aus der "Oldie-Kiste" heraus zu kommen. Dies wird seine Zeit brauchen. Die ersten Konzerte deuten darauf hin, dass damit auch eher unsere alten Fans Probleme haben und weniger die neuen Fans. Die Erkenntnis, dass man Leben und Erleben nicht konservieren kann (musikalisch ist dies sicherlich möglich, schließlich kommt die Musik ja aus der Konserve...) und dass es jedem als Aufgabe gestellt ist, in seinem engeren und weiteren Umfeld das Jetzt und das Morgen zu gestalten. Und dies schließt alles mit ein: die Familie, die Arbeit (oder Nicht-Arbeit), das Leben, das Engagement, das Lokale und das Globale.

Deshalb ist es ungeheuer spannend zu erleben, wie sich der Weg von Damaris Joy nun entwickeln wird. Über die Notwendigkeit, dass Musik christlicher Prägung angeboten wird, braucht man heute nicht mehr zu reden. Eher müsste man den Spies umdrehen und fragen, warum es denn nicht mehr davon gibt?! Wo sind denn heute die "Verrückten", die wir damals waren, die genau so zielstrebig und konsequent ihren Weg gehen? Die Zeiten haben sich verändert, aber sie sind genau so spannend wie die Zeiten, als wir 18 oder 30 Jahre alt waren. Man kann was bewegen, wenn man nur will...!

Aus diesem Grund soll diese WebSite eigentlich auch weniger die Vergangenheit in den Vordergrund stellen, sondern die Gelegenheit geben, den weiteren Weg von Damaris Joy sozusagen "hautnah" mitzuerleben. Die WebSite wird tagesaktuell gepflegt, damit man sich wirklich "aus erster Hand" und "an der Quelle" informieren kann. Das Internet machts möglich: Die Wege sind kurz, eine eMail ist schnell geschrieben und auch schnell beantwortet. Aber angesichts dem Inhalt von fast 30 Jahren Jahren wird die Vergangenheit quantitativ sicherlich immer einen sehr großen Raum in Anspruch nehmen...

So weit diese Gedanken "drumherum". Und vielen Dank fürs Lesen. Über jede Zuschrift freut sich

Hans-Martin Wahler

03.01.2001


Editorial aktuell